Es ist soweit - nach vielen Jahren des Mantras: "Ich gebe die Promotion nicht auf" habe ich es endlich schwarz auf weiß: Ich gebe die Promotion nicht auf. Warum? Weil ich gerade an meinem ersten Paper sitze. Aber, wir starten von vorne.
Eingeschriebene Promotionsstudentin bin ich schon viele Jahre, doch weiter als konzeptionelle Planungen oder Poster auf Konferenzen ist es nie gekommen. Gründe gibt es viele: Ich hatte das Glück, ab dem ersten Tag meiner Promotion in unterschiedlichsten Stellenkonstellationen eine Vollzeitstelle zu haben. Das hat sich seither nie wieder geändert - mein Geldbeutel hat es gefreut, doch die Konsequenz war, dass die Arbeit in meiner Freizeit geschrieben werden musste. Und HELLO Freizeit, wo wir gerade davon sprechen: Ich. liebe. Freizeit. Ich hatte und habe schon immer Flausen im Kopf, kleine und große Ideen, wenngleich die Großen oftmals überwiegen (mit leichtem Hang zur Weltverbesserung). Auch gab es kein Drittmittelprojekt, an dem ich mitgearbeitet habe und wenigstens Daten generieren konnte (wenngleich ich weiß, dass Promotionen in Drittmittelprojekten auch nicht die Kirsche auf der Sahne sind). Anstatt mich also dem vermeintlich wichtigsten Projekt meiner Karriere zu widmen, wählte ich zumeist Dinge mit deutlich mehr und schnelleren Endorphinausschüttungen. Besonders schade fand ich dabei immer die Tatsache, dass ich mein Thema immer geliebt habe.
Die Jahre gingen dahin und mein Promotionsprojekt war mittlerweile mehr ein Luftschloss statt ein tatsächlich stattfindendes Ereignis. Dabei muss ich betonen, dass das mit Nichten an meiner Promotionsbetreuung lag - ganz im Gegenteil. Wenn ich ein Gespräch brauchte, war und ist mein Doktorvater nachwievor da. Er hat mich stets gefördert und maximale Betreuung nicht nur versichert, sondern sie auch umgesetzt. Der Haken an Angeboten ist jedoch: Man muss sie annehmen. Ja, verdammt, ich hatte mich sogar für eine Promotions-Peer-Beratung angemeldet und habe sie nicht genutzt. Ich drehte und drehte mich um mich selbst, während ich immer leiser werdend zu mir sagte "Ich gebe die Promotion nicht auf".
Knapp 3 Jahre nach dem Beginn meines Promotionsprojektes passierte dann etwas, was ein Segen für alles war, was ihr euch vorstellen könnt - aber ein Fluch für meine Promotion, zumindest auf den ersten Blick. Ich bewarb mich auf eine unbefristete Stelle als Lehrkraft für besondere Aufgaben. Und ich bekam sie. Fortan genoss ich das Gefühl der Sicherheit, die fehlenden Sorge um Anschlussverträge und vergaß immer mehr meine Promotion. Eines Tages saß ich mit meinem Doktorvater zusammen und ich sprach das Thema an. Er sagte, dass ich mich nicht daran festbeißen muss. Ich muss es nicht zu Ende machen (oder wenigstens mal anfangen) wenn ich es nicht möchte. Mit den Jahren habe ich mich tatsächlich immer weniger in der Wissenschaft gesehen, mit dem Buhlen um Gelder, den Titel-Schlachten oder der fehlenden Wertschätzung. Wissenschaft ist ein hartes Business und ich wusste lange Zeit nicht, ob ich ein Teil davon sein möchte geschweige denn es reproduzieren will. Denn: Ich wäre ein Teil des Systems und kann nicht losgelöst davon agieren.
Hat sich das heute geändert? Ich bin noch im Prozess. Aber durch meinen Kanal @FrauForschung habe ich einerseits Personen im akademischen Umfeld kennenlernen dürfen, die mir gezeigt haben, dass Wissenschaft anders sein kann und anders von uns gestaltet werden kann. Andererseits habe ich durch den Kanal einen gewissen Selbstbewusstseinsboost bekommen, der mir verdammt gut tut.
Und so sitze ich heute vor meinem ersten Paper und was soll ich sagen: Es ist das Leichteste und Schwerste, was ich bislang in meiner Karriere getan habe.
Leicht, weil mir das Schreiben leicht von der Hand geht. Ich liebe das Recherchieren, das Darlegen der Argumente, das Spinnen des roten Fadens. Vermutlich hätte ich all das vor Jahren noch nicht so gekonnt, geschweige denn das Organisieren des Schreibprozesses.
Schwer, weil sich an der Ursprungsproblematik nicht viel geändert hat. Ich schreibe den Artikel weiterhin in meiner Freizeit. Doch eines ist leichter in der Schwere geworden: Ich blockiere mich nicht mehr selbst. Vielmehr hatte ich den Mut, mein Paper inhaltlich zu verändern, den Schwerpunkt ein wenig zu verschieben und einfach anzufangen. Ja, ich habe einfach angefangen und habe nicht vor, damit so bald aufzuhören.
Übrigens: Abgabe ist Anfang März. Druck kickt ;-)
danke fürs mitnehmen! und wie toll, dass du angefangen hast.
😍